Die Krux mit der Tierschutzhundeverordnung
Eigentlich war die Neufassung der Tierschutzhundeverordung (TierSchHuV) vom 01.01.2022 zum Schutz der Hunde gedacht. Jedoch ist sie – so wie sie aktuell ist – undurchdacht, überzogen und dadurch sogar sehr gefährlich. Es mag auf den ersten Blick den Anschein haben, dass hier „nur“ Rassehundeausstellungen betroffen sind. Jedoch ist dies nur der Gipfel des Eisberges: Genau genommen betrifft es jetzt schon alle Hunde, die in irgendeiner Form gegeneinander antreten, sei es in Form von Wettbewerben oder Sportarten, unabhängig davon, ob sie eine Ahnentafel haben oder ob es sich um mopsgedackelte Schäferdoberdoodles handelt.
Die TierSchHuV ist zurzeit eine reine Auslegungssache und der Willkür von (Amts-)Veterinären unterworfen. Das beste Beispiel ist die Erfurter CACIB-Ausstellung am vergangenen Wochenende: Hier wurden die von den Hundeausstellern zu erfüllenden Auflagen so absurd eng gesteckt, dass es für einige geforderten Untersuchungen nicht nur terminlich viel zu kurzfristig war (Anmerkung: Die Bedingungen wurden erst kurz vor dem Termin bekannt gegeben), sondern es wurden Untersuchungen gefordert, die u.a. nur unter Narkose durchgeführt werden können.
Bei jeder Narkose besteht für das Tier ein nicht unerhebliches Risiko – eine Narkose kann unter Umständen auch zum Tod eines gesunden Tieres führen.
Abgesehen davon werden solche Untersuchungen nur nach Terminabsprache mit dem (Fach-)Tierarzt gemacht, dessen Terminkalender zumeist so voll ist, dass man entsprechend Zeit im Vorfeld einplanen muss. Der Kostenfaktor für solche Untersuchungen sowie der Summe aller geforderten Untersuchungen ist ebenfalls nicht zu unterschätzen.
Kurze Beispiele der (Amts-)Willkür:
1. Boston-Terrier, die am Samstag durch die tierärztliche Kontrolle zur Ausstellung zugelassen wurden, wurden am Sonntag nach Hause geschickt, weil die (gleichen?) Tierärzte (?) – also das Personal am Eingang zur Ausstellung – hier die tollen neuen Regeln unterschiedlich ausgelegt haben.
2. Hunde, denen mehr als P1 fehlt, wurden in Erfurt von Hause aus ausgeschlossen. Nach Hörensagen gab es unter den platzierten Hunden aber Exemplare, welchen Zähne (P1 ausgenommen) fehlen. Das zeigt gleich zwei Punkte auf, an denen die neuen Regelungen/Auslegungen der TierSchHuV bereits gescheitert ist: Einmal sind die Kontrollen unzureichend – nicht nur am Eingang, auch im Ausstellungsring. Und zum anderen sieht man, dass es auch unter den Züchtern Menschen gibt, die auf Deubel komm raus versuchen, Regeln zu umgehen. Leider wird es letztere immer geben und leider sind diese dann oftmals der Aufhänger für neue und engere Restriktionen!
3. Vibrissen. Man kann beim Kürzen oder Rasieren der Tasthaare von einer „Teilamputation“ sprechen, da ein Teil eines Sinnesorgans entfernt wird. Jedoch verbleiben die „Wurzeln“ in der Haut und das Haar kann nachwachsen. Zudem ist der gekürzte Part, das Haar selbst, nicht durchblutet oder mit Nerven durchzogen. Dagegen dient das Kürzen des (gesamten) Hundebarts (welcher von Tasthaaren durchsetzt ist) der Fell- und Hautpflege, die gerade bei langhaarigen Hunderassen erforderlich ist. So ein Hundebart kann nach einer guten Mahlzeit schnell verkleben und ohne Pflege verfilzen – ein Nährboden für Keime & Krankheitserreger, die Infektionen führen können. Und mit einem verklebten Bart kann ein Tasthaar seinen Dienst auch nicht mehr erfüllen.. Und ob der Hund überhaupt auf die Tasthaare angewiesen ist und wenn ja, bei welcher Gelegenheit, darüber streiten sich alle Experten. Es gibt dazu keine ausreichenden Untersuchungen.
4. Die gleichen Hunde, die in Erfurt vor den Ausstellungstüren bleiben mussten, können aber aufgrund der lockerereereren Restriktionen in Dortmund und Lingen sehr wohl ausstellen. Siehe die gestern oder vorgestern erstellte neue Lockerung, was die Anzahl der fehlenden Zähne betrifft. Oder dass Hunde, die größer als 60 cm sind, nun keine Nachweise (durch Röntgen) erbringen müssen, dass keine Spondylose- oder CES-Probleme vorliegen. In Erfurt war dies gefordert. Ob es hier kurzfristig nachträglich auch noch eine Änderung gab, weiß ich nicht – es wurde und wird immer noch so viel geändert, dass man irgendwann nicht mehr durchblickt.
Reden wir mal nicht von der oben schon erwähnten Änderung die Anzahl der fehlenden Zähne betreffend. Hier stehen/standen auf der gleichen Webseite zur selben Zeit völlig unterschiedliche Aussagen, da augenscheinlich vergessen wurde, einen der beiden Bereiche anzupassen und zu aktualisieren. Damit stehen sogar unterschiedliche Anweisungen für die Aussteller zur Verfügung.
Vor diesen Änderungen wurden bereits Meldungen storniert, weil dem ein oder anderen Hund vielleicht ein Zahn zu viel fehlte und er deswegen von einer Teilnahme ausgeschlossen war. Jetzt ist es aber wieder erlaubt, aber der Meldeschluss ist bereits vorbei? Also ich käme mir mehr als verarscht vor.
Dabei will ich den Veranstaltern selbst gar keinen Vorwurf machen, denn die müssen sich mit den Forderungen der Hundeausstellern aber genauso auch mit den Restriktionen durch das jeweilig zuständige Veterinäramt auseinandersetzen.
Das demonstriert deutlich, dass hier noch gar nichts durchdacht und ausgereift ist und die Umsetzung nach Gutdünken des jeweilig zuständigen Veterinäramts erfolgt.
Die eigentliche Gefahr liegt jedoch darin, dass es hier den Rassehundezüchtern und Hundesportlern an den Kragen geht. Wer die Zahlen vom Haustierregister TASSO mit den Zahlen vom VDH angeschaut hat, wieviele Welpen der beliebtesten Rassen registriert wurden, der sieht auch als Blinder, dass zum Beispiel ein RIESENANTEIL der beliebten brachycephalen Französischen Bulldoggen gar nicht aus einer (kontrollierten) VDH-Zucht stammt. Es fehlen leider die Zahlen der Nicht-VDH-Vereine/-Verbände, in denen ebenfalls eine kontrollierte Zucht stattfindet – ebenso sind dementsprechend deren Regelungen zur Zucht der brachycephalen Hunde mir nicht bekannt. ABER ich gehe davon aus, dass es zwar mehr Welpen als im VDH sind, aber trotzdem gemeinsam mit VDH-Welpen nur einen Bruchteil der bei TASSO registrierten Welpen ausmachen.
Will heißen: Das Pferd wird vom falschen Ende aufgezäumt. Nicht die bereits kontrollierte Zucht sollte behindert werden, sondern die unkontrollierten Schwarz“zuchten“ und Vermehrer. D.h. es sollten vernünftige Regeln erschaffen werden, am liebsten in ZUSAMMENARBEIT mit den bestehenden Verbänden und Vereinen, anstatt gegen diese zu schießen und ganze Rassen (aus kontrollierter Zucht) aufs Schafott zu zerren und hinzurichten. Nichts anderes geschieht hier nämlich gerade. Ich bin ganz klar für das kontrollierte Züchten zum Erhalt von Rassen. Vorausgesetzt, diese sind gesund: Sie können laufen, atmen und gucken, können sich ohne Hilfe fortpflanzen und sind frei von Beeinträchtigungen und Schmerzen. Vorausgesetzt, die Rassemerkmale werden nicht zu Extremen gezüchtet, denn das Extreme kippt nahtlos über zur Qual.
Und wer reibt sich zum Schluss die Hände?
Genau. Vermehrer, Schwarzzüchter, Puppy Mills, Backyardbreeder im In- und Ausland. Hey, wenn alle Hunde nur noch über den Kofferraum vertrieben werden oder aus dem Tierheim adoptiert werden, weil Rassehundezucht verboten wird, dann wird bestimmt schnell für Nachschub gesorgt werden müssen. Will heißen, es werden mehr Welpen unter zum Teil unwürdigsten Bedingungen produziert, deren Eltern bestimmt nicht vorher auf irgendwas untersucht wurden. Die sitzen vermutlich bis an ihr Lebensende in schmutzigen Verschlägen und brüten nur einen Wurf nach dem anderen aus. Oder aber man schafft einfach alle Auslandstierschutzhunde nach Deutschland, spart den Tierschutz vor Ort, bringt vielleicht noch ein bisschen Geld ein. Aber leider wird es dann auch keine Hundeschulen geben, wo Kurse zum Familienhund abgehalten werden, es darf dann nicht mehr gearbeitet oder Sport mit Hund betrieben werden. Ist dann nämlich auch verboten.
Auch wenn ich jetzt nur an der Oberfläche des Ganzen gekratzt habe, ich hoffe, dass der ein oder andere Leser sich jetzt direkt zur Petition „Gegen die unverhältnismäßige Umsetzung der Tierschutzhundeverordnung“ begibt und dort „unterschreibt“.
Weitere Informationen und Stellungnahme des VDHs finden sich hier.